Ein Magazin? Eine Community?
Das lässt sich ebenso wenig beantworten wie die Frage, die uns treibt: Wie werden wir in 50 Jahren leben?
Fest steht nur: reverb zeigt Lösungen ohne Zeigefinger, thematisiert Probleme und Wandel.
reverb inspiriert und bildet eine Meinung ohne dabei eine eigene vorzugeben.
Dabei geht es nicht um Utopien, sondern um die Chancen, die Technologie von heute und morgen bietet.
Wir verbessern die Welt mit Spaß und Punk.
Punkt.
Online-Journalistin, die Print liebt und momentan alles liest, was ihr zum Thema Ernährung und Veganismus unter die Finger kommt. Gerade bedeutet das fünf verschiedene Bücher auf einmal. Denn wenn die 24-jährige etwas macht, dann mit vollem Einsatz und voller Begeisterung. So auch ihr aktuelles Projekt: mit dem Herznote Verlag veröffentlichte sie das Blogger Bookazine CIRCUS, das gleich weltweit erschein und über 300 Seiten stark war. Seit dem Sommer ist sie mit ihrem Studium fertig und lebt jetzt erst einmal für ein halbes Jahr in Johannesburg. Von Südafrika aus betreut sie das reverb Magazine und schreibt täglich neue Themenideen in ihr Notizbuch. Wie zum Beispiel die Frage, warum niemand in Johannesburg Fahrrad fährt und wie man die Südafrikaner dazu bringen könnte, ihren Müll zu trennen.
Für was es sich auf die Straße zu gehen lohnt und was ein gutes Leben ausmacht – unsere Presseschau reveekly zeigt, was uns in dieser Woche inspiriert und beeindruckt hat.
Open Maps verbessern nicht nur die Welt, sie machen auch Spaß! Eine schöne Idee, die hoffentlich bald in deutschen Städten Nachahmer findet, ist die „Toronto Kiss Map“: Nutzer tragen ihre Küsse in die Karte ein und beschreiben sie. Vom ersten und letzten bis zum „Hot ‘n heavy“-Kuss sind schon zahlreiche Erinnerungen online:
It was during our elementary school vacation in France in the gym, and we snuck off to hide on the stage, behind the curtain. It was dark and so our first attempt had his warm lips land on my nose. We giggled and tried again, successfully. (Kiss of the month)
Mit Lego zu spielen macht auch großen Kindern noch Spaß, keine Frage. Doch Moment – ist das Plastikspielzeug nicht vielleicht ungesund? Gizmodo hätte da eine Alternative: Legosteine, die aus einer Mischung aus Baumrinde, Holz und Kaffeebohnen bestehen. Schade, dass es die Steine nur in einer Farbe gibt: in braun.
Am Samstag findet in Wuppertal der erste deutsche Tauschmob statt, organisiert von Netcycler. Drei Stunden lang kann getauscht und verschenkt werden, egal ob Bücher, Lampen oder Briefkästen – und immer ohne Geld. Wer besonders viel tauscht, kann sogar ein paar Preise gewinnen.
Nicht nur in Wuppertal lohnt es sich morgen auf die Straße zu gehen: In ganz Deutschland sind Demonstrationen gegen ACTA geplant – zum Schutz des geistigen Eigentums auf globaler Ebene. ACTA schränkt die Grundrecht ein und zensiert das Internet – auch wenn das die EU-Kommission anders sieht. Wie erfolgreich Proteste sein können, haben uns die Amerikaner mit ihrem Widerstand gegen SOPA eindrucksvoll gezeigt.
Um Wissen zu vermehren, musst du es teilen – das ist Birtes Credo. Gelernt hat sie das durch die Arbeit an journalistischen Gemeinschaftsprojekten wie dem Buch Nachts in Darmstadt und dem Studentenmagazin darmspiegel. Privat engagiert sie sich für die Offene Bibliothek, die Bücher für alle Menschen zugänglich macht. Auch will sie aussterbende Handwerke wie Bronzeguß erhalten, indem sie diese ausprobiert und online dokumentiert – Wissen soll für alle zugänglich sein! Aus diesem Wunsch heraus gibt Birte auch Workshops zu ihren Lieblingsthemen Medienkompetenz, Soziale Netzwerke und nachhaltiges Leben. Als Journalistin war sie bisher für verschiedene regionale Medien und Special-Interest-Magazine aus den Bereichen Politik, Wirtschaft und Kultur tätig.
Die TEDxRheinMain lud im Offenbacher Capitol dazu ein, gemeinsam den Wandel als gesellschaftliches Phänomen zu reflektieren. Unter dem Titel „Subject to Change“ referierten unter anderem Gunter Dueck, Michael Hübl und John Kearon.
Reverb war als Sponsor natürlich mit von der Partie, auch um die erste Printausgabe zu präsentieren.
Die „german Angst“
Der Philosoph und Mathematik Professor Gunter Dueck wurde von der Computer Woche zu einem der 100 einflussreichsten Menschen der IT-Branche gewählt. Seine Vorträge sind legendär und die Erwartungen des Publikums bei der TEDxRheinMain dementsprechend hoch.

Zu recht, wie sich nach wenigen Minuten herausstellte. Duecks herzliche Art dem Publikum die eigenen Fehler vorzuhalten, lies kaum jemandem im Saal ungerührt. Er teilte die Menschen in verschiedene Kategorien: Da gibt es zum Beispiel die Hysterischen, die gerne Neues ausprobieren und die Depressiven, die ihre Freunde bei Facebook volljammern.
In Deutschland sind jedoch die meisten Menschen zwanghaft, so Gunter Dueck. Will sagen: Deutsche haben Angst vor Veränderungen, sie sind neophob. Kommen neue Technologien wie Social Media auf, dann fürchten sie mehr Aufwand, den Verlust ihrer Privatsphäre und sehen das Ende der effizienten Arbeit nahen.
Stefan Lermer vom Münchner Institut für Persönlichkeit und Kommunikation hat dieses Phänomen im Zusammenhang mit der Finanzkrise die „german Angst“ getauft. Normal ist das nicht, da der Begriff Veränderung keine Bewertung enthält. Veränderung ist nicht per se schlecht.
„Ich hab nur eine Bitte: Nehmt mich mit!“
Der Mensch ist ein einziger Wandel. Wir werden geboren, wachsen bis wir pubertieren und uns innerlich wandeln, erfinden uns als Erwachsene täglich neu, werfen unsere Ansichten über Bord – und das alles nur, um eines Tages zu sterben und alles zurück zu lassen.
Auf dem Weg dorthin erleben wir die Digitale Revolution, den Klimawandel und die Globalisierung der Wirtschaft. Lyra Turnbull erzählte in ihrem Vortrag „Trust“ von ihren Ängsten und der Mauer, die dadurch zwischen ihr und anderen Menschen entstanden ist. Ihr Großvater, der ein Konzentrationslager der Nazis überlebt hat, hat ihr einmal geraten niemanden zu vertrauen. Wieso wir aber Vertrauen brauchen, um in dieser sich ständigen ändernden Welt zu bestehen, zeigt das „social mobility network“ flinc besonders gut.

Nur Leidensdruck und Hoffnung treiben Veränderungen an, betonen Ratgeber. Und vielleicht war es wirklich das Leid, welches Michael Hübl für sein Projekt flinc den Anstoß gab. Das Leid, als Student zu wenig Geld zu haben, um sich ein Auto leisten zu können. Seine Hoffnung: Die Vision von der absoluten Mobilität ohne Auto. Wie das funktionieren soll? Wenige Autobesitzer teilen ihr Auto mit vielen Nutzern. Für seine Generation – die Generation des Teilens – sei das kein Problem, denn Statussymbol sei für sie nicht mehr das Auto, sondern das iPhone.
Hübl sagte dem Publikum ohne Umschweife: „Das einzige Problem seid ihr. Ihr seid faul und feige.“ Denn sein Auto zu teilen oder es aufzugeben und sich darauf zu verlassen, dass andere einen mitnehmen, braucht Vertrauen. Vertrauen in seine Mitmenschen, Vertrauen in sich selbst und in seine Menschenkenntnis. Um seine Theorie zu beweisen, kündigte Hübl während des Vortrags an, dass er sein Auto verschenken wird. Bis zum 31.03.2012 ist nun Zeit, eine gemeinnützige Organisation vorzuschlagen, die den blauen Corsa bekommen soll. Als Hübl von der Bühne geht und ein beeindrucktes Publikum zurück lässt, verabschiedet er sich mit den Worten: „Ich hab nur eine Bitte: Nehmt mich mit!“
Ein Schlagzeug spielender Affe und ein nackter Hintern

John Kearon, der Gründer von BrainJuicer Group PLC hat den wohl unterhaltsamsten Vortrag des Tages geliefert – inklusive nackter Tatsachen. Seine Botschaft „Werbung funktioniert allein über Emotion“ lässt sich auf viele Bereiche übertragen, denn Botschaften werden nicht nur in der Werbung vermittelt, sondern zum Beispiel auch von NGOs oder Lehrern. Hier eins von Kearons Beispielen, eine Werbung von Cadbury’s:

Dass der Schlagzeug spielende Affe nichts, aber auch überhaupt gar nichts mit der beworbenen Schokolade zu tun hat, ist für John Kearon genau der richtige Ansatz. Anschaulich zeigte er, was Gefühle in uns auslösen. Er brachte das Publikum zum Lächeln, versetzte es mit einer lauten Tröte in Angst und überraschte es mit nackten Tatsachen, als er seine Hose fallen lies. Sein Statement dazu „Bottoms are funny, balls are not“ avancierte auf Twitter unter dem offiziellen Hashtag #tedxrm schnell zum Spruch des Abends.
reverb goes print
Mit frisch gedruckten Heften der ersten Printausgabe von reverb im Gepäck, war auch unser Team vor Ort. In der gedruckten Ausgabe gibt es ein Best Of unserer bisherigen Artikel. Die Fahrradkommune von Günther Mulder ist genauso dabei, wie Rebecca Sandbichlers Gärten in den Wolken. Auch zu finden ist eine Zusammenfassung von Gunter Duecks Vortrag Komfortzone Zukunft oder wider die Gewöhnung – lesenswert!
Fazit des Tages: Der Wandel entsteht in jedem Einzelnen, aber die Welt verändern können wir nur gemeinsam.
Bebero Lehmann ist eine echte kölsche Frohnatur. Nachdem sie im Sommer 2010 ihren Bachelor in Germanistik und Geschichte absolvierte, packte sie das Fernweh. Sie siedelte um, von Darmstadt nach Paris, um mit dem Masterstudium in Neuerer Geschichte zu beginnen. Seither lernt sie das belle vie kennen und will sich durch alle 350 Käsesorten des Landes probieren. Erste journalistische Erfahrungen sammelte sie bei Radio Darmstadt und diversen Studentenmagazinen. Neben Käse ist ihr die Zukunft des Planeten wichtig. Deshalb beteiligte sie sich 2010 an der Organisation der Organic Disco, der nachhaltigsten Party Darmstadts.
Das neue Pariser Elektroautoverleihsystem tritt als CO2-neutrale Alternative für alle Autofahrer an, die das Fahrradverleihsystem bisher nicht zum umsatteln bewegen konnte.
Führerschein zücken, einsteigen, losdüsen. Am 5. Dezember 2011 fiel in Paris der Startschuss für Autolib, das weltweit erste, ausschließlich auf Elektroautos basierende Autoverleihsystem. Das System funktioniert ähnlich flexibel wie das Fahrradverleihsystem Velib. An bisher 33 Stationen können Pariser und Paris-Entdecker insgesamt 66 Fahrzeuge ausleihen.
Die Stationen sind Parkplatz und Elektro-Tankstelle zugleich. Wie die Fahrräder sind auch die Elektroautos rund um die Uhr mietbar, für einen Tag, eine Woche oder ein Jahr. Dazu sind lediglich ein Führerschein und ein paar Klicks am Automaten nötig. Die Kosten belaufen sich für 24 Stunden auf zehn, für sieben Tage auf 15 und für ein Jahr auf 144 Euro. Für die erste halbe Stunde sind zusätzlich fünf bis sieben Euro, für jede weitere halbe Stunde vier bis acht Euro zu zahlen.
Beginn einer neuen Ära?
Oberbürgermeister Bertrand Delanoë sieht in Autolib den Beginn einer neuen Ära und betont die ökologische Vorbildfunktion, die die französische Metropole damit einnimmt: „An dem Tag, an dem Autolib zur Gewohnheit für die Pariser wird, wird das alle Städte der Welt verändern.“
Bis Ende 2012 soll ein Netzwerk von rund 1000 Autostationen aufgebaut werden, an denen insgesamt 3000 Elektroautos ausgeliehen werden können. 58 Prozent der rund 2,2 Millionen Stadtbewohner sind nicht motorisiert. Delanoë setzt darauf, dass die meisten ein Auto nur gelegentlich brauchen.
Auch die umliegenden Gemeinden soll das Elektroauto-Netzwerk mit einschließen. Gerade dort sind die Menschen oft auf den eigenen Wagen angewiesen, da das öffentliche Transportnetz weniger ausgebaut ist. Stehen genug Fahrzeuge bereit, könnte das geliehene Elektroauto zur lukrativen Alternative zum eigenen Auto werden. Keine Instandhaltungskosten, keine Versicherung, kein CO2. Derzeit nehmen 37 Kommunen, mit insgesamt knapp zehn Millionen Einwohnern, am Autolib-Projekt teil. Tauschen diejenigen, die täglich nach Paris zur Arbeit pendeln, ihre CO2-Schleuder gegen das Elektroauto, hätte das einen deutlichen Effekt auf die CO2 Bilanz der Region.
Futuristischer Verkehr: geräuschlos und abgasfrei
Die Entwicklung des futuristischen Designs der vermeintlich zukunfsweisenden Flitzer gab der Unternehmer Vincent Bolloré in Auftrag. Die Bolloré-Gruppe investiert 50 Millionen Euro in das Projekt und kümmert sich um die Wartung und die Versicherung der Fahrzeuge. „Was ist das denn für ein Ufo, denkt man, wenn die an einem völlig geräuschlos und abgasfrei vorbeifahren”, schwärmt Bolloré.
Ob das Prinzip Autolib sich seinen Weg von Frankreich in die Welt bahnt, bleibt abzuwarten. In Deutschland wäre Autolib durchaus denkbar. Die Bahn schafft für ihre Autovermietung bereits verstärkt Elektroautos an und in Berlin hat man beschlossen bis 2020 zur Elektroauto-Republik transformieren zu wollen. Außerdem entspricht das Projekt einem neuen, sich herausbilden Typ von Konsumenten, der auf nichts verzichten, aber nicht alles für immer haben will.
Kritiker stellen den ökologischen Nutzen des Projekts allerdings grundsätzlich in Frage. An der Einsparung von Schadstoffausstoß zweifelt niemand. Allein mit dem Pariser Projekt ließe sich in zehn Jahren der Ausstoß von 20 Tonnen Kohlendioxid vermeiden. Aber die benötigte Energie speist sich aus französischem Atomstrom.
Doch vielleicht ist das Autolib dennoch ein erster Schritt in einen grüneren Verkehr. Die Etablierung eines solchen Verleihsystem in den Metropolen rund um den Globus, betrieben mit Strom aus erneuerbaren Energiequellen, wäre wirklich der Beginn einer neuen Ära.
Corinna Klingler, geboren 1990 in einer kleinen Stadt nähe Frankfurt am Main, studiert Online-Journalismus und arbeitet seit 2008 als freie Journalistin. Wenn sie nicht gerade an ihrem nächsten Buch schreibt, widmet sie ihre Freizeit ihrer größten Leidenschaften: der Fotografie. Dass im Moment vieles im Wandel ist, findet sie ungeheuer spannend und freut sich auf die Welt von morgen.
Afrika galt lange als „Schwarzer Kontinent“, als wenig erforscht. Heute prägen Schreckensmeldungen und abenteuerliche Safaris unser Bild. Doch es steckt mehr dahinter, meint ein Videofilmer. Und zog mit seiner Kamera los.
Eine Frau mit kurzen, schwarzen Haaren steht vor einem kleinen Haus. Mit ihren Händen greift sie in eine Schüssel voller Wasser, zieht daraus ein weißes Tuch hervor und wringt es aus. Ihre Ärmel hat sie hochgeschoben, sie trägt ein Lächeln auf dem Gesicht während die Sonne gleißend vom Himmel herab sticht. Nkasi Dudumashe wohnt in Kapstadt, Südafrika. Hier erzählt sie ihre Geschichte.
Ihre ist eine von jenen, die Simon Sticker aufgegriffen hat. Sticker ist ein dänischer Fotograf und visueller Storyteller. Gemeinsam mit seiner Begleiterin Maja Nordbrandt reiste er von Juni bis Dezember 2011 durch Afrika – vom südlichen Kapstadt zum nördlichen Kairo. Dort führte der 31-Jährige Interviews, ließ die Menschen zu Wort kommen und ihre Lebensgeschichte erzählen. Die bereitet er am Ende mithilfe von Bildern und Videos multimedial auf. Er nennt es das „Humans Project“. Ein Projekt, das Verständnis für Menschen in anderen Teilen der Welt schaffen und gleichzeitig kulturelle Vielfalt aufzeigen will.
So zeigt Sticker auch die 26-jährige Nkasi Dudumashe. Sie erzählt, wie sie damals die Schule vorzeitig verlassen hat, lange mit nichts dastand. Dann wurde sie früh Mutter. Letztlich beschloss sie, dass sie etwas in ihrem Leben ändern müsse und begann sich bei verschiedenen Organisationen zu engagieren. Heute arbeitet sie als stellvertretende Programmkoordinatorin für den gemeinnützigen Verein Amandla Edufootball. Dieser fördert mit Sport Kinder, die ohne ihre Familien aufwachsen. Sie selbst kümmert sich dort um die Liga der Mädchen.
Die eigenen Möglichkeiten nutzen, anstatt auf Hilfe warten
Mit ihrer Arbeit bringt sie den Kindern das bei, was sie selbst erst lernen musste: ihre Möglichkeiten zu nutzen und nicht vergeblich darauf zu warten, dass die Regierung ihnen hilft.
Sticker macht Dudumashes Geschichte mit einem Kurzfilm für viele Menschen zugänglich. Damit will er zeigen, dass Afrika aus mehr besteht als Schreckensmeldungen und Safaritourismus. „Während meiner Reisen in verschiedenen Ländern Afrikas hat sich mir ein ganz anderes Bild geboten – viel Entwicklung, viel ‚Normalität‘, viel Leben, was nie in unserem Bild von Afrika auftaucht“, sagt Sticker.
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HUMANS: Nkasi Dudumashe from Simon Sticker/ Flow Media on Vimeo.
Ein großes Problem sei vor allem, dass Medien hierzulande oft mit den Augen der westlichen Welt über Afrika berichteten. Dem versucht er entgegenzuwirken und den Kontinent in seinen vielschichtigen Facetten abzuzeichnen.
So wollen Maja und er etwa die Geschichte von dem malariakranken Moanke aus Kenia erzählen, der mittlerweile weder laufen noch stehen kann und auf die Hilfe anderer angewiesen ist. Oder die Geschichte von John, einem 93-Jährigen aus Malawi, der noch als Wachmann für eine Nichtregierungsorganisation arbeitet. Die Begegnung mit John, sagt Sticker, gehöre zu einer seiner besonderen Erfahrungen im Zuge des Projekts. Anstatt auf seine erste Frage zu antworten, starrte John nur in die Kamera. Auf den Hinweis, er könne nun antworten, erwiderte er: „Nur einen Augenblick, lasst mich die Situation etwas genießen.“
Daneben handeln Geschichten von Prostitution und Armut, aber auch von Wertschätzung und Zuversicht, von Frauen wie Dudumashe, die ihr Leben selbst in die Hand nehmen.
Viele der Menschen haben Sticker und Nordbrandt zufällig getroffen. Zu anderen hatten sie bereits vorher Kontakt oder haben bei der Suche Unterstützung von Organisationen vor Ort bekommen.
Dass Sticker das Projekt überhaupt durchführen kann, ermöglicht der Kamerahersteller Lumix, der nun als Hauptsponsor auftritt. „Einen Teil des Geldes haben wir aber auch selbst aufgebracht“, sagt der Fotograf.
„Was macht dich glücklich?“
Angefangen hat das Projekt mit einer simplen Idee. „Was macht dich glücklich?“, war eine der drei Fragen, die Sticker Menschen in Ruanda 2009 stellte. Eine allgemeine Frage, die Leute auf der ganzen Welt beantworten können. Damit wollte er Gemeinsamkeiten zwischen Menschen in verschiedenen Ländern aufzeigen – ähnliche Träume, Hoffnungen, Wünsche.
2011 entwickelte Sticker diese Idee weiter, stellte komplexere Fragen. Im kommenden Jahr sollen daraus rund 70 Porträt-Kurzfilme entstehen. Ähnliche Konzepte gab es bereits davor. So beleuchteten der Fotograf Brandon Bannon und der Journalist Mike Pflanz in ihren „Daily Dispatches“ einen Monat lang, im April 2011, das Leben der Menschen in Nairobi.
Wenn es nach Simon Sticker geht, wird HUMANS hingegen größer, globaler. Inzwischen haben sich dem Projekt weitere Mitstreiter aus anderen Ländern angeschlossen. So etwa der belgische Filmemacher Yann Verbeke, der in seinem Kurzfilm einen Farmer aus Südfrankreich porträtiert. Im Frühjahr sollen zudem Filme aus Indien folgen. „Der Plan ist, die Interviewfragen im Netz zugänglich zu machen, so dass jeder seine eigenen HUMANS-Filme machen kann“, sagt Sticker. Am Ende solle eine Art Weltkarte entstehen, die verschiedene Menschen aus allen Ländern abbildet.
Hinter HUMANS steht jedoch vor allem eines: eine feste Überzeugung. „Ich glaube, dass die Welt ein besserer Ort ist, wenn wir einander besser verstehen“, sagt Sticker.
Einblicke in kulturelle Lichtblicke, der Streit um die Erfindung der Glühbirne und Edisons elektrifizierender Siegeszug. Ein Versuch, Erhellendes zu berichten. Von Dirk Donahl.
Nun also TAE, der einstmals sehr lebendige Beweis dafür, dass der Begriff Erfinder oft doch schwer daneben greift; wie ja eben Thomas Alva auch, der es sich und seinen Mitsuchenden, in der Hoffnung irgend wann einmal etwas Brauchbares und Segensreiches zu finden (sic!), zum Prinzip erhoben hatte, lotteriespielartig immer wieder in den großen Topf der Möglichkeiten beidhändig hineinzulangen, dabei Kosten nicht scheuend, und Nieten hinterm Versuchslabor in Menlo Park auf den wachsenden Abfallberg der Fehlversuche stapelnd; hoffend, immer unverdrossen weitermachend hoffend.
Zukunftsprognosen rückwärts betrachtet. Das Buch heißt wie der Titel dieser Beitragsreihe, Untertitel Die Welt der Zukunft. Autor der englischsprachigen Originalausgabe ist ein mir ansonsten gänzlich unbekannter Mister Kenneth K. Goldstein, für die deutsche Bearbeitung der 1969 gemeinsam im Österreichischen Bundesverlag – Wien, im Verlag J. F. Schreiber – Esslingen sowie im Union Verlag Stuttgart unter dem Label der National Library (ausnahmsweise also mal nicht Reader’s Digest) erschienenen Ausgabe zeichnet Herr Albert Hinkelbein; auch er mir über dieses hinaus nie aufgefallen noch begegnet.
Was erwartet uns im Jahr 2069? Goldsteins Zukunftsvisionen und was uns heute schon bekannt erscheint. Teil 2 der Buchbetrachtung von Dirk Donahl.
Leser, wie die Zeit vergeht! Das Vorwort unserer „Die Welt von Morgen“ untertitelten Lektüre haben wir also vor Wochen bereits glücklich hinter uns gebracht, und heute nun geht es stracks abgrundtief nur in eine Richtung: nach unten.
Feed the world! Oder: Kann man nach Fukushima noch Fischmehl essen? 1969 verfasst der Autor Kenneth K. Goldstein seine Vorstellung der Welt in 100 Jahren. Was aus seinen Zukunftsvisionen geworden ist, beschreibt Dirk Donahl in seiner Serie “Morgen lebst Du anders”.
So und aha! Die Goldstein’schen unterseeischen Atomkraftvisionen hätten wir, dachten wir, dann also bereits vor etlichen Wochen im vorhergehenden Teil dieser Beitragsreihe erfolgreich hinter uns gebracht und… und dann geht die Scheiße richtig los. Und sie findet kein Ende. Das wird sie, wenn die Physik nicht irrt, auch die nächsten x-tausend Jahre nicht. Aber warten wir den Schlussbericht der Ethikkommission ab. Wie auch immer.
Daniela Rieß, multimedialinguale Vielseiterin. Autorin, Texterin, (Online-)Journalistin, Medienpädagogin, Kommunikations- & Social-Media-Beraterin, dabei auch Dozentin und Trainerin; an der Schwelle zwischen Journalismus, Bildung, Kunst & Kultur, Wissenschaft und dem freien Markt, mit starker Netzaffinität für alle Lebenslagen. Mag Nachhaltigkeit und Sozialgedanken. Im Netz als spellartist unterwegs, medienmobil und nicht selten mit der Linse vor den Augenbrauen zu sehen. Wegen der auf jeden Fall zu erwähnenden Leidenschaft Fotografie. Ansonsten gern dabei lyrisch zu performen, wenn möglich mit verschiedenen Medien. Liest zudem mit Freuden aus dem 2011 veröffentlichten Lyrikband “gegen Rotampeltage”, bloggt und filmt mit Schülern, Erwachsenen, Kindern & Co gern zu den Themen “Literatur”, “Kultur”, “Klima”, “Internet” oder anderem. Lebt und arbeitet in Kassel & manchmal auch anderorts.
Während der besinnlichen Weihnachtszeit haben wir uns mit Wohnen, Wohnmodellen, Lebensgemeinschaften und Solidarität beschäftigt. Heute schauen wir auf ein weiteres Feld: Das Geld, die Finanzen und die Menschen. Diesmal aus einer ungewohnteren Perspektive. So ein wenig von unten. Von dort aus sehen wir kleinere Gruppierungen, die es durch das Zusammenlegen des eigenen Kapitals zu einer Gemeinsamen Ökonomie (Gemök) geschafft haben, die Sache mit dem Geld in den Hintergrund zu stellen. Dafür steht das Leben und das Menschsein im Vordergrund.
Vorhang auf für das Lebensmodell von drei Frauen, die über die Grenzen von Städten hinweg ihre Ökonomie gemeinsam organisieren. Mit Nadja (Name von der Redaktion geändert), einer der drei Frauen aus dem Finanzkooperativ, hat sich Reverb-Autorin Daniela Rieß getroffen.
Wachstum ohne Kapitalismus
Es ist keine Überraschung mehr: Das Thema „Finanzen“ ist in aller Munde. Ein ganzer Kontinent, um nicht zu sagen, die gesamte Weltwirtschaft, knabbert gerade an der Frage, wie Ökonomie organisiert werden kann oder ob das Ende des Wachstums bereits erreicht ist, welchen Wert welches Geld mit welchen Schulden in welcher Volkswirtschaft hat und wie das weiter gehen kann oder auch nicht. Leider rücken dabei soziale Aspekte oftmals in den Hintergrund. Oder auch arbeitspolitische und die Frage nach dem (gemeinsamen) Leben. Dies zu thematisieren, hat sich zum Beispiel die Occupy-Bewegung zur Aufgabe gemacht. Für eine Balance in der Geldwirtschaft. Für einen Fokus auf die Menschen und das Menschliche. Schauen wir uns eine Alternative zum herkömmlichen Finanzsystem einmal genauer an.
Die Sache mit dem Geld
Karola hat kein eigenes Konto. Dafür haben Karola, Nadja und Ines eins gemeinsam. Seit sechs Jahren. Dafür muss manchmal telefoniert, debattiert und diskutiert werden. Im Grunde geht alles jedoch ganz ruhig zu. Größere Unstimmigkeiten gibt es eigentlich keine. Auch, wenn eine mal weniger tun kann als die andere – es gleicht sich wieder aus. Dafür müssen die drei noch nicht einmal zusammen wohnen, nur Nadja und Ines teilen (mittlerweile wieder) einen Wohnraum.
Dass die Sache mit dem Geld auch anders laufen könnte, dass es möglich sein könnte Lebens- und Finanzmodelle zu finden, die es schaffen, das Leben selbst wieder in den Vordergrund zu rücken, das waren Themen mit denen sich dir drei Frauen schon vor mehr als sechs Jahren beschäftigten. Bereits zu dieser Zeit waren Globalisierungsthemen und die Frage nach einer solidarischen Weltwirtschaft wichtige Fragen, mit denen sich die drei Frauen einerseits wissenschaftlich auseinandersetzten, andererseits in Aktionsgruppen darüber diskutierten, Aktivitäten planten und vor allem auch in der eigenen WG besprachen. Aus diesen Visionen und durch das Kennenlernen anderer Modelle ist ein Finanzmodell entstanden, welches die drei noch heute durch das Leben trägt. Wie das funktioniert?
„Es ist, wie es Pärchen machen. Nur mit mehr Leuten. Doch, wenn es nicht mit Pärchen ist, sind die Leute oft verunsichert.“
Zunächst hat jede die eigenen Ersparnisse und das gesamte Kapital eingebracht. Oder auch die Bafög-Schulden, die nun über das Kollektiv getragen werden. Alle Gehälter und Einnahmen gehen auf ein gemeinsames Alltags-Giro-Konto. Auch Geldgeschenke. Ausgaben gehen ebenso von diesem Konto ab. Was darüber hinaus übrig ist, kommt auf ein Sparkonto. Davon werden größere Vorhaben, Urlaube oder längere Reisen bezahlt. Andererseits hat das Kooperativ Geld in Projekten angelegt, beispielsweise in einen Wagenplatz oder auch einem anderen Wohnprojekt. Diese Form des Anlegens, nennt sich Mietshäusersyndikate. Darüber ist dann die Altersvorsorge geregelt – eine Alternative zur gesellschaftlichen Altersvorsorge in der gängigen Finanzpolitik.
Wir bemerken an dieser Stelle genau: Hinter dieser privaten Organisation von Kapital und Ökonomie im Kleinen, steckt eine weitaus größere politische Dimension!
Zur Gemök sind die drei Frauen tatsächlich über die kritische Reflexion gekommen. Das Verhältnis und das Verständnis zu und von Arbeit zu hinterfragen und dem breit etablierten Modell bewusst einen anderen Lebensentwurf entgegen zu setzen, war ein Ansatzpunkt. Das bringt ebenso eine Überprüfung der (eigenen) Sichtweisen auf Arbeitsbiografien mit sich, aus dieser das gemeinsame Verständnis von Arbeit und deren Wertigkeit resultiert: „Alle Arbeit ist gleich viel wert, wird aber gesellschaftlich ungleich entlohnt.“ Diesen Erscheinungen möchte das Kollektiv entgegen wirken und ungleiche Ausgangsbedingungen, biografische Hintergründe und ungerechte Entlohnungen usw. ausgleichen.
Sich sicherer fühlen können
„Oftmals unterliegen Menschen der gesellschaftlichen Suggestion von Sicherheit. Wir denken auch darüber nach, was es ist, was Menschen als Sicherheit empfinden. Und dass die suggerierte Sicherheit oft gar keine Sicherheit ist. Vor allem nicht das Geld. Sondern stellen fest, dass es eher ein sozialer Zusammenhang ist, der Menschen Sicherheit bietet“, so Nadja. In der Gemök wird es demnach möglich, Lösungen für existentielle Probleme und Fragen gemeinsam in der Gruppe zu lösen. Damit versteht sich eine Gemök eher als Sozialgemeinschaft, statt reines Finanzkooperativ zu sein.
Wie spannend, dass auf einmal, wenn es eine finanzielle Absicherung über ein Kollektiv gibt, welches das Soziale und Persönliche mitdenkt und mitträgt, die Sache mit dem Geld in den Hintergrund rückt!
Nadja und die anderen wissen manchmal gar nicht, wie viel Geld auf dem Konto ist: „Was rein oder raus geht, das schaut niemand nach.“ Schon gar nicht mit Beklemmungen. Früher haben die drei öfters geschaut, ob es passt oder nicht. Mittlerweile läuft es einfach mit und die Gemeinschaft und das Leben stehen im Vordergrund. Summen sind nicht im Kopf, sondern auf dem Konto.
Alltag, ganz normal und ganz anders
Trotz Entfernung und Verstreuung, zum Teil auf drei Städte, treffen sich die Frauen regelmäßig: Alle sechs Wochen an einem Wochenende gibt es Zeit für das Besprechen. Diese Treffen dienen, so würden wir vielleicht meinen, allerdings nicht der bloßen Ausrechnerei, oder dazu, Regelungen zu Finanzen und anderer Büroakrobatik zu treffen bzw. einander zu fragen fragen, was hat die eine gekauft und die andere nicht, sondern vor allem der Reflexion, dem Austausch und dazu, die Gemeinschaft zu stärken sowie das soziale Miteinander zu pflegen.
„Wir denken viel über unser Konsumverhalten nach und wie Bedürfnisse entstehen. Brauche ich eine Sache gerade oder steckt ein anderes Bedürfnis dahinter? Etwas, das nichts mit Konsum oder der Sache zu tun hat, das eigentlich gestillt werden sollte? Oder auch die Frage: Wie entstehen Wünsche und Bedürfnisse überhaupt?“
Aber auch andere Themen wie Gesundheit, Medien, Reisen und Klamotten sind während dieser Treffen Thema „oder welche Muster wir selbst beim Konsumieren haben“, wie Nadja es schildert. „Diskutiert wird jedoch auch viel über zwischenmenschliche Beziehungen, das Soziale und darüber, wie wir mit wem wie verwoben sind.“
Früher war das eher mal am Küchentisch möglich, als die drei noch gemeinsam lebten und sich öfters treffen konnten. „Über die Distanz wird es manchmal schwieriger. Wie bei Paarbeziehungen.“ Allerdings hilft die Organisation der regelmäßigen Treffen und der kontinuierliche Austausch sehr.
Die Gemök bietet zudem die Möglichkeit, sich mit sonst selbstverständlichen Dingen im Alltag (kritisch) auseinander zu setzen. „Wie ist es mit Flugreisen? Wollen wir ein Auto anschaffen?“ Dabei spielen nachhaltigkeitspolitische Haltungen immer eine Rolle. Neulich haben die drei vor allem die Themen Altersvorsorge, Erbschafften, Geschenke und Ausstiegskonditionen besprochen. In einem gemeinsamen Testament wurden Regelungen festgehalten und wie auch der Verbleib des Vermögens in der Gemök. Sonst wird alles besprochen, was gerade so ansteht. Wie der Stand in Berufs- und Lebensplanung ist. Persönliches.
Seit einem Jahr werden die drei Frauen sogar von einer Forscherin begleitet. Diese schreibt eine Dissertation über Finanzkooperative, ist selbst Mitglied einer Gemök und auch bei den Diskussionen und Treffen immer dabei. Manchmal entstehen dadurch witzige Effekte. „Wir diskutierten drei Stunden lang darüber, wie wir mit Geschenken und so umgehen können. Zwei von uns haben einen biografischen Hintergrund, der Geschenke durch Eltern möglich macht. Dadurch entstehen auch Wünsche anders oder überhaupt Wünsche. Bei Karola ist das aber nicht so. Wie wollen wir damit umgehen? Darüber diskutierten wir drei Stunden und die Forscherin hat nichts dazu gesagt.“ Bis dann die Gruppe selbst eine Regelung zur „Geschenkepolitik“ fand, obwohl diese genau die selbe Debatte in ihrer Gemök auch schon geführt hat.
„Was kaufen wir? Muss ich das Bedürfnis haben?“
Konsumverhalten wird zwar einerseits reflektiert, was jedoch nicht dazu führt, dass die drei sich kontrollieren wollen: „Wenn sich jemand eine neue Jacke kauft oder meint, ein Bedürfnis befriedigen zu wollen, dann ist das in Ordnung. Dann kann sie das einfach tun. Ohne sich zu rechtfertigen. Wir kaufen uns jede, was wir glauben zu brauchen.“
Auch hier entscheidet jede nach den eigenen Bedürfnissen, wie wir es bereits im Artikel über die Kommune Niederkaufungen kennen gelernt haben. Einzelne Konsumbedürfnisse werden also nicht diskutiert, obwohl sie total unterschiedlich sind. Nadja mag Klamotten „eher trendy“ und Karola kauft lieber in einem Second-Hand-Laden ein und das auch noch viel seltener. Wenn die Gruppe über das eigene Konsumverhalten spricht, geht es eher in die Richtung zu fragen: „Entwickeln wir einzelökonomische Anflüge?“ Also Verhaltensweisen, die wieder zur ökonomischen und vor allem sozialen Vereinzelung führen.
Spannend! Da betrügt keine die andere, wie manche nun vielleicht glauben würden. „Die Konsumfragen sind irgendwie immer Fragen von außen. Und eigentlich ist es total absurd! Was soll ich mir denn aus einer Gemeinschaftskasse mehr nehmen. So etwas ist noch nie passiert. Und: Was ist denn Heimlichkeit, wenn alles eine Gruppe ist?“ Auch hier lernen wir: Eine gesunde Gemeinschaft, ein engmaschiges Sozialgefüge, in dem ein intrinsisches Sicherheitsgefühl entsteht, enthebelt Strukturen von egozentrischem Bereichern-Wollen. Und trägt.
Was ist das, „ein gutes Mitglied unserer Gesellschaft“?
Die Gemeinsame Ökonomie also eher als Sozialgewebe, um „nicht mehr so vereinzelt zu sein mit wichtigen Entscheidungen im Leben und im Bereich Arbeit“, wie es Nadja beschreibt. Karola hat beispielsweise gerade ein Sabbatjahr begonnen. So etwas wird dann zu dritt besprochen und geschaut, ob eine „aufstockt“, also mehr Verdienst organisiert.
Solche Dinge, wie ein bewusstes Innehalten in der Arbeitsbiografie, Entscheidungen, welchen Weg eine professionell, aber auch im eigenem Leben einschlagen möchte, werden möglich.
„Wir können uns trauen, tatsächlich was zu machen, zu tun, was wir gern tun wollen, was zu verändern und ein Leben jenseits von Lohnarbeit und Ängsten gestalten.“ Das eröffnet nicht nur Lebens-, sondern auch Denkräume.
Natürlich passiert es manchmal auch, dass alte Muster, biografische Erfahrungen in das Erleben und die Gemeinschaft hinein spielen. Das, was wir gelernt haben in Familien und unserer Sozialisation. Über Sicherheit und den Wert von Arbeit. Wie viel ein Mensch wert ist, wenn er nicht arbeitet – das erfahren wir tagtäglich in den Medien, in Institutionen, durch den gesellschaftlichen Diskurs. Diese Einschreibungen, Rollenerfahrungen und -muster die daraus entstehen, machen es „manchmal auch schwierig für unsere Gemeinschaft“, berichtet Nadja: „Zum Beispiel in der Zeit als ich krank wurde und aus Berlin zurück in meine Studiumsstadt kam, in der ich nun wieder mit Karola zusammen wohne. Als ich arbeitslos war und dann Hartz IV bekam, da war die Gemök einerseits ein Ort, der mich aufgefangen hat. Dort konnte ich reflektieren, wie es mir geht, wie es weiter gehen kann. Andererseits habe ich auch erfahren, wie es ist arbeitslos zu sein, also im Sinne der gesellschaftlich gültigen Arbeitsdefinition.“
Nadja hat genau diese Erfahrung am eigenem Leib gespürt: Sich selbst weniger wert zu sein, weil das Definieren über eine gesellschaftlich als gültig suggerierte Arbeit weg fällt. „Die Gemök war in diese Zeit ein ungebrochener Rückhalt“, aber innerlich war es für Nadja dennoch ein schwieriger Prozess: „Die anderen hatten gar nicht das Gefühl, dass es schwierig ist, weil ich gerade nichts einbringe.“ Trotzdem hat sich für Nadja ein sonst so ,typisches‘ Rollengefühl aufgebaut, Selbstwert war schwierig zu definieren und zu spüren. „Das hat auch enttäuscht. Wegen unseres eigenen Anspruchs oder dem Anspruch der hinter der Idee Gemök steckt, eben solche Prozesse in der Gruppe abzubauen und gar nicht zu haben. Aber anscheinend ist es sehr tief in uns eingeschrieben: Was ist ein gutes Mitglied dieser Gesellschaft?“ In diesem Fall ist die Gruppe im Lernprozess. Wie in jedem Leben.
Gemeinschaft und Abschied
Ihr fragt was passiert, wenn eine aussteigen will? Die Gemök verlassen? „Da wir ja alles Ersparte oder auch Schulden zu Beginn eingebracht haben, war es uns wichtig, länger über die Ausstiegsregelung zu sprechen. Wir haben uns dann auf einen Weg geeinigt, der sicherstellt, dass eine ihr Leben gut bewältigen kann, auch, wenn sie weniger eingebracht hat.“ Es ist ähnlich wie bei der Kommune Niederkaufungen. Wenn jemand aussteigt, dann ist das nicht davon abhängig, was sie eingezahlt hat, sondern was die Person für ihre momentane Lebenssituation braucht.
„Da sind meine Voraussetzungen ganz anders, als die von Karola, die nicht auf eine Sicherheit durch Eltern zurück greifen kann“, erzählt Nadja. Auch wenn Nadja dies gerade mit Überzeugung so sagen kann, war es ein mitunter schwieriger Prozess, sich zu der Ausstiegsregelung hin zu arbeiten. Nadja hat zu Beginn mehr Geld als die anderen eingebracht und fand die Idee, dass sie dies nicht wieder mit raus nimmt, zu Beginn komisch. Im Prozess mit der Gruppe hat sie sich nach und nach von dieser Vorstellung gelöst und ist quasi in die Gemeinschaft hinein gewachsen. Wie es in natürlichen, organischen Prozessen so ist. „Die Idee, in einer Gemeinschaft individuellen Interessen, Situationen und Bedürfnissen gerecht zu werden, unterschiedliche Ausgangsbedingungen zu integrieren, das hat mich überzeugt. Sich in diesem Gedanken der Gruppe auch so zu trennen, macht für mich total Sinn.“
Gemök²
Doch daran ist noch lang nicht zu denken, die Gemök plant eher eine Vergrößerung. Dafür pflegen die drei eine Vernetzung zu anderen Gruppen und Kommunen. Eigens dafür fand am letzten Oktoberwochenende 2011 ein Meeting von 30 Menschen unterschiedlicher Gruppen statt, die sich über Erfahrungen, Probleme, Entwicklungen und neue Ansätze für die gemeinsame Ökonomie austauschen wollten. Gemeinsame Ökonomie hoch 2, nennt sich die Initiative, die auch im neuen Jahr an einer Weiterentwicklung und einer gemeinsamen Finanzkooperative plant.
Nadja nennt dies verschmitzt „AG Größenwahn“. Aber eben auch, weil ein riesen Potential dahinter steckt. Erst einmal war es ein besonderes Gefühl zu merken, „es gibt noch mehr da draußen.“ Mit denen es möglich wäre, eine größere Gemök zu gründen. Mit 200 Leuten bspw., die dann wiederum in kleineren „Mögensgruppen“ organisiert sind um die wichtige soziale Komponente, die Möglichkeit des Austauschs und sozialen Eingebundenseins zu erhalten. Die „Mögensgruppe“ wäre dann die engere Bezugsgruppe (die auch gewechselt werden kann, wenn sich jemand nicht mehr versteht) und mit den anderen ist die Ökonomie organisiert, ohne zwingend zusammen leben zu müssen oder in einer Sozialgruppe zu sein. Auch hier ist die Idee dahinter: „Eben nicht auf persönliche Verhältnisse reduziert zu sein, sondern größere Stabilität erfahrbar zu machen, auch, wenn persönliche Bezüge nicht mehr funktionieren“, wie Nadja es beschreibt. Dies geht auch über Stadtgrenzen hinweg und macht flexible Lebensmodelle möglich. „Das Kommunemodell ist krisenanfälliger, weil es so sehr an das Private und Persönliche und vor allem einen Ort gebunden ist. Gemök² kann orstunabhängige Stabilität und Verteilung von Ressourcen ermöglichen. So kann es zum Beispiel möglich sein, dass in einer solchen Gruppe zehn Leute einfach nur politische Arbeit machen.“ Oder tun, was sie oder er gern und gut tut.
Die Glücksformel: Individuell in Gemeinschaft
„Wir haben Glück. Wir haben genug Gemeinschaftskapital und müssen nicht dauernd überlegen, können wir uns das leisten oder nicht? Wenn eine etwas neues braucht, Schuhe oder sonstwas, dann kauft sie das einfach. Wir leben im Grunde sehr luxuriös. Wir konnten immer alles machen.“ Dadurch, dass das Gemeinsame Kapital über das Giro-Konto geregelt ist, auf das regelmäßig Ein- und Ausgaben laufen, und dass Geld in Projekte oder Mietshäusersyndikate angelegt ist, ist die Liquidität geregelt. Das schafft Platz für anderes! Nadja wird nächstes Jahr eine Coachingausbildung beginnen, die mit ca. 6000 € über das Kollektiv bezahlt wird. Ein Schritt weiter auf dem individuellem Lebensweg. Und das gemeinsam!
Eva Lux ist ein echt rheinisch’ Mädche, schillert in vielen Farben und sagt am liebsten, was andere denken. Vieles hat sie ausprobiert, bevor sie endlich an der Freien Journalistenschule Berlin landete. Nach dem Studium folgten ein Volontariat in Text und PR in Köln und einige Jahre als Online-Redakteurin. Ende 2010 hat sie sich mit einem kleinen Textbüro am Niederrhein selbstständig gemacht und noch mal ein Studium aufgegriffen: Kulturpädagogik. Weil’s so schön bunt ist!
Maria Stuart feat. Baader Meinhof Komplex feat. Elfriede Jelinek. Wie brillant das Ergebnis sein kann, kann man noch bis Ende Dezember 2011 im Grillo-Theater in Essen erleben.
Vom Drama zweier Königinnen
Wer den Titel „Ulrike Maria Stuart“ im Zusammenhang mit Elfriede Jelinek liest, dem dämmert vermutlich schnell, dass hier zwei Handlungen miteinander verstrickt sind: Das Schillersche Königinnen-Drama und der Machtkampf der RAF-Frontfrauen Ulrike Meinhof und Gudrun Ensslin. Auch wenn dieser Vergleich nicht der üblichste ist, bei dieser Inszenierung wird er schnell schlüssig. Es geht um Ideale, um Politik, um Revolution, ums Volk und – um Männer!
Dem Titel nach zu urteilen, steht Ulrike Meinhof stellvertretend für die Position der Stuart, wogegen Gudrun Ensslin das Pendant zu Elisabeth I. zu sein scheint. In beiden Fällen ist die mächtigere von beiden Figuren gleichzeitig die schlechtere, weil skrupelloser. Sowohl Maria Stuart als auch Ulrike Meinhof kämpften einst mit Idealismus für ihr Land, gaben ihre weiblichen wie persönlichen Interessen auf, um ihre ganze Kraft dem Kampf zu widmen. Letztlich gingen beide in den Tod. Elisabeth I. wie auch Gudrun Ensslin gewinnen natürlich nur scheinbar den Machtkampf, letztlich scheitern auch sie.
Sprachrohr der arbeitenden Klasse
Eine geballte Ladung Literatur schlägt sie uns entgegen, die Jelinek. Ob Schiller oder Kant – die Botschaften sind so zeitlos wie wahr. Der „Ausgang aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit“ als die Kant’sche Definition von Aufklärung ist nur eine dieser Botschaften.
Eben genau darum geht es Jelinek: Vorgeschobener Idealismus wird als Selbstgerechtigkeit entlarvt. Dem Individuum kann weder Bildung noch Revolte aufgezwungen werden, es muss aus ihm selber kommen. Volksimmanent muss Aufbegehren sein, nur dann wird sich etwas bewegen. Besonders deutlich wird das am verklärten Weltbild der RAF – Gerechtigkeit für die benachteiligte Klasse, denen da oben mal zeigen, dass sie mit denen da unten nicht alles machen können.
Dabei sind es nicht die Arbeiter, die den Aufstand wollen, sondern es sind ein paar Wenige, die sich auflehnen gegen das System. Und diese Wenigen sind, welche Ironie, ein paar verwöhnte Wohlstandskinder.
Jelinek schreibt Textwüsten
Schenkt man Regisseur Hermann Schmidt-Rahmers Worten aus dem Programmheft Glauben, dass Jelineks Texte keine wirklichen Theaterstücke sind, sondern Textwüsten, die jeden Regisseur zwingen, Position zu beziehen und mehr als eine Interpretation des Stoffes sind – vielmehr an eine Modelliermasse erinnern – so ist ihm Großes gelungen. Ein imposantes Werk, welches sowohl der literarischen Vorlage Elfriede Jelineks gerecht zu werden scheint, als auch dem historischen Background. Wer glaubt, hier eine verklärte RAF-Schmonzette vorzufinden, der irrt. Das eigentliche Thema dieses Stückes ist der Zerfall der Ideale, der großen Gesamtidee, des Traums „vom großen universellen gewaltsamen Weltbeglückungsprojekt“, so Schmidt-Rahmer.
Es ist radikal und ungeschminkt, was Elfriede Jelinek einem da entgegen schreit, und es ist auch nicht gerade schön: Kapitalismus ist Krise, politisches Handeln und die Linke sind tot und waren es im Prinzip schon immer, Widerstand ist zwecklos. Doch es bleibt nicht bloße Gesellschaftskritik, im Gegenteil: Jelinek kritisiert im Prinzip jeden Idealisten, jeden Kämpfer, sich selbst eingeschlossen, denn jede noch so idealistische Einstellung, jedes noch so selbstlose Verhalten lässt die Frage nach Opportunismus zu.
Genauso wie es Maria Stuart und Elisabeth I. weniger um das Wohl ihres Volkes oder die Zukunft ihres Landes, sondern um Stolz, Neid, Eifersucht und Macht ging, genauso ist es bei Ulrike M. und Gudrun E. Genauso wie die RAF von innen faul wurde, gährte in den Königinnen der Hass. Genauso wie die RAF einst „eine Familie“ war, so entstammten auch die Schiller-Königinnen dem gleichen Adelsgeschlecht. Nichts und niemand ist demnach gefeit vor dem Zerfall der Werte.
Wenn es hart auf hart kommt, zählt nur die eigene Eitelkeit. Die Unfähigkeit, eigenes Scheitern zuzugeben. Das geht in diesen Fällen sogar so weit, dass eher die Mutterrolle verleugnet wird, eher die Geschlechterrolle aufgegeben wird, eher der eigene Tod in Kauf genommen, im fanatischen Irrglauben, es für die Sache zu tun.
Weihnachten, das Fest der Liebe – und des Konsums
Als wäre das nicht schon Stoff genug, rührt Schmidt-Rahmer noch einen Löffel Wirtschaftskrise, ein Päckchen Politikverdrossenheit und eine Prise Bildungskrise unter und fertig ist ein Weihnachtsbraten, der schwer im Magen liegt. So gelingt es ihm jedoch gekonnt, den Bogen zu schlagen von den Protagonisten der Theatervorlage und deren Themen hin zum Jetzt und uns Bürgern. Schmidt-Rahmer geht noch weiter, wenn er sagt, dass Revolution in unserem Weltbild nur noch dann eine Bedeutung habe, wenn es um die Einführung eines neuen Produkts gehe.
Apropos Weihnachten, der Zeitpunkt der Aufführungen könnte nicht passender gewählt sein. Da wird wohl dem ein oder anderen das Lachen im Halse steckenbleiben, wenn er kurz vor dem Fest der Liebe so deutlich vor Augen geführt bekommt, wie es mit Idealismus und Güte, Verzicht und Bescheidenheit bestellt ist.
Es wird gebrochen, was das Zeug hält
Dass man so ein Stück im Grunde nur auf Brechtsche Art und Weise inszenieren kann, liegt auf der Hand. So arbeitet auch Schmidt-Rahmer mit unzähligen Brechungen, optischen wie akkustischen wie inhaltlichen. Wer glaubt, die Akkustik sei schlecht, weil er viele Details gar nicht hören kann, der irrt ebenfalls. Es ist gerade die Schnelligkeit der Worte, die Lautstärke, das chorische Sprechen, was das Publikum zwingt, mit der Konzentration voll dabei zu bleiben. Denn eine Pause gibt es während des zweistündigen Stückes nicht. Revolution kennt auch keine Pause.
Zwischendurch wird ein, zwei Mal mit einer Schreckschusspistole geschossen – Einschlafen unmöglich. Ein bisschen Sadismus ist sicher dabei, man muss schon Interesse für solche Themen haben, ein bisschen kulturpessimistisch sein oder zumindest diesen Diskurs kennen, um ein Stück wie dieses zu lieben. Wenn dann plötzlich nicht nur offen umgebaut wird, sondern die Bühnentechniker ins Spiel integriert werden, dann ist Schmidt-Rahmer fast beim Theater der Unterdrückten angekommen. Gleichzeitig wird die Hochkultur Theater an den kleinen Mann gebracht. Das würde der Jelinek sicher gefallen!
Herausragende Schauspieler und raffiniertes Bühnenbild
Neben der inhaltlichen Aktualität besticht die Inszenierung durch brillante Schauspieler: Die beiden Hauptdarstellerinnen, Bettina Schmidt (Meinhof/Stuart) und Silvia Weiskopf (Ensslin/Elisabeth), präsentieren eine Sprachgewalt, sowohl in Lautstärke, Intonation als auch Durchhaltevermögen, vor der man den Hut ziehen muss. Wenn die beiden chorisch sprechen, so hat das doppelte Wirkung: Nicht nur die Botschaft potenziert sich, es wird auch noch mal sehr deutlich, dass trotz der Konkurrenz im Prinzip die gleichen Motive hinter ihrer Position stecken.
Äußerst angenehm ist Andreas Baader alias Graf von Leicester alias Christian Kerepeszki mal nicht als Rudelführer zu erleben. Vordergründig ist er das natürlich, aber Ulrike Maria Stuart führt die Möglichkeit schön vor Augen, dass erst die Intriganz der beiden Frauen ihn dazu gemacht haben könnten. Das zeigt deutlich, dass sie keinen Deut besser waren, vielleicht eher noch schlechter – denn bei ihnen spielten Intelligenz, eine ordentliche Kindheit und Wertevermittlung eine nicht unerhebliche Rolle.
Auch die übrigen Rollen, dargestellt von Stefan Diekmann, Ingrid Domann und Sven Seeburg, sind absolut stark in ihrem Einfluss auf das ganze Stück und bilden letztlich die Bindeglieder zwischen den einzelnen Geschichten, Szenen und Epochen. Mal sind sie reale Figuren, mal erinnern sie an das Gewissen oder Moral und Ethik, denen ein Gesicht verliehen wurde.
Nicht zuletzt überzeugt das Bühnenbild: Imposante Stahlgerüste sind so angeordnet, dass sie gleichzeitig die Außenmauern von Gebäuden andeuten oder Werbefläche sind. Von der Bühne ragt eine riesige Zunge weit in den Zuschauerraum hinein, die den lechzenden Kapitalismus zu symbolisieren scheint. Auch in den Kostümen spiegelt sich diese Mischung aus Gewalt und Ästhetik wieder und es ist gerade dieses Spannungsverhältnis, was das Stück so sehenswert macht!
Günther Mulder macht in Interaction Design, User Experience Design und Text. Das tut er als Freelancer und bei newscookie.com. Ausserdem schreibt er über Sachen, die er interessant findet - und andere hoffentlich auch. Er lebt in Mainz und is Nullfünfer. Erreichen kann man ihn über gmulder.de.
Die Arbeitslosigkeit sinkt – zumindest in Deutschland. Aber das ist nicht für alle ein Grund zur Freude.
Crisis, what crisis?
Alle Welt ächzt unter dem Druck der Wirtschaftkrise: in Spanien hat die Arbeitslosenquote 2011 sogar mit 21% den höchsten Stand seit 14 Jahren erreicht. Fast ein Viertel aller Erwerbsfähigen sind dort arbeitslos – und in Deutschland feiert man den niedrigsten Stand seit 1993: trotz Banken-, Wirtschafts- und Eurokrise waren hier 2011 nur sieben Prozent arbeitslos gemeldet - also drei Millionen Menschen. Ist also alles supergut – welche Krise sollte es hier geben?
Eine versteckte: Deutschland hat nämlich laut einer Studie der in Genf ansässigen ILO aus dem Jahr 2011 international die meisten Langzeitarbeitslosen. 1,4 Millionen der 3 Millionen Arbeitslosen sind nämlich seit mindestends einem Jahr keiner bezahlten Tätigkeit mehr nachgegangen. 900.000 dieser Langzeitarbeitslosen hatten sogar seit zwei Jahren keinen Job mehr. Und diese Zahl ist eher gestiegen als gefallen: 2010 galten nur 960.000 Menschen als Langzeitarbeitslos.
Wie kann das sein?
These jobs aren’t comin back, Mr. President
Schauen wir in die USA. Dort hat die Diskussion um Arbeitslosigkeit mittlerweile eine ganz andere Dimension erhalten, seitdem die Arbeitslosenzahl im Zuge der Krise auf ein für das Selbstverständnis der Amerikaner unerträgliches Maß gewachsen sind. Die ideologische Diskussion darüber, wer denn für neue Jobs sorgen könne – der Staat oder die Reichen – wird teilweise hitzig geführt. Dabei stellt sich die Frage: Welche Jobs sollen denn geschaffen werden?
Zu den größten Erfolgsgeschichten der US Wirtschaft der letzten Jahre gehört sicher das iPhone: Designed in Cupertiono, CA. – aber Made in China. Schon im Februar 2011 stellte Präsident Obama dem inzwischen verstobenen Steve Jobs bei einem Dinner die Frage, ob die 70 Millionen iPhones, 30 Millionen iPads und 59 Millionen anderer Apple Produkte nicht auch zu Hause in den USA hergestellt werden könnten. Die Antwort auf diese Frage war, so berichtet die New York Times, ganz eindeutig: Diese Jobs kommen nicht zurück.
Warum? Vermutlich, weil in den USA – und in Europa ist das nicht anders – keiner in fabrikeigenen Kasernen untergebracht sein will, um ohne Vorwarnung in der Nacht zu einer Sonderschicht in die Fabrik gebracht zu werden. Diese Flexibilität aber ist, neben dem Preis, der zur Zeit unschlagbare Standortvorteil für die chinesischen Fabriken – und der Grund dafür, warum in den USA eine Unmenge Jobs einer bestimmten Sorte fehlen: klassische Fabrikjobs.
Morlocks, Eloi und andere
Denn Fabrikjobs gibt es in den USA weiterhin – und die USA stellen auch weiterhin weltweit am meisten Waren her (oder sind von China knapp überholt worden – je nachdem, welche Statistik man gerade liest). Aber dieser Erfolg frisst seine Kinder. Denn um die Waren herzustellen, braucht es immer mehr und präzisere Maschinen, die nur von gründlich ausgebildeten Mitarbeitern bedient werden können: Effizienz, Bildung, Verlässlichkeit und eine Fehlertoleranz nahe Null sind hier unbedingte Voraussetzungen. Für den klassisch angelernten Arbeiter, also weitgehend für alle, die nicht mindestens einen Ingenieursstudiengang absolviert haben, ist in diesem System kein Platz.
Was das bedeutet für jene mit einfacher Schulbildung hat Adam Davidson im Atlantic Magazine am Beispiel von Greenville, South Carolina, aufgezeichnet: Vor 30 Jahren war es dort noch ohne weiteres möglich, auch ohne Studium in einer der vielen baumwollverarbeitenden Fabriken ein gutes Auskommen zu finden. Heute gibt es diese Fabriken nicht mehr – oder die Arbeit wird von Maschinen geleistet. Dort, so heißt es, beschäftige man neben Maschinen nur noch einen Mann und einen Hund: Der Mann sei dazu da, den Hund zu füttern – und der Hund habe die Aufgabe, den Mann von den Maschinen fern zu halten. Das jedenfalls, so Davidson, kurisert als Witz in der ehemaligen Baumwollhochburg.
Fabrikjobs gibt es weiterhin – aber die erfordern mindestens eine Ausbildung am College. In den neuen Fabriken werden nämlich zum Beispiel Bauteile für Einspritzpumpen gebaut – und die Werkzeuge dafür müssen auf ein viertel Mikrometer genau eingestellt werden. Das entspricht in etwa der Größe eines Virus. Neben Geduld und Präzision erfordert das von den Arbeitern ein Grundverständnis der Physik hinter diesem Prozess.
In Deutschland ist die Situation kaum anders. Um beim Beispiel Apple zu bleiben: Im iPhone 3S sind auch in Deutschland hergestellt Bauteile verbaut – und zwar hochspezialisierte Baseband IC Chips, die von Infineon in Dresden hergestellt werden.
Zur Sonne, zur Freiheit!
Auf der einen Seite also haben wir Jobs für Menschen mit guter Ausbildung und der Fähigkeit, in einer komplexen Umgebung präzise zu funktionieren. Und auf der anderen Seite Menschen, von denen Hannelore Kraft schon 2010 sagte: „Wir müssen endlich ehrlich sein: Rund ein Viertel unserer Langzeitarbeitslosen wird nie mehr einen regulären Job finden.“
Für ihren Vorschlag, diese Menschen könnten doch für einen symbolischen Lohn „zum Beispiel in Altenheimen Senioren Bücher vorlesen, in Sportvereinen helfen oder Straßen sauber halten“ erntete sie herbe Kritik – aber auch Beifall, zum Beispiel von der FDP. Die Diskussion zeigte dennoch, dass ein Bewusstsein für das eigentlich Problem wächst: So, wie die Dinge laufen, grenzt unsere Gesellschaft eine beträchtlichen Gruppe von Menschen aus und nimmt ihnen die Möglichkeit, über Arbeit Selbstwertgefühl und Würde jenseits des puren Überlebens zu schaffen.
Die Lösungsvorschläge sind zahlreich und reichen von Ein-Euro Jobs und sozialen Diensten bis zum bedingungslosen Grundeinkommen für alle. Aber es gibt auch andere Ansätze: Wir wollen in Kürze an dieser Stelle eine Initiative aus Frankfurt vorstellen, die es sich zur Aufgabe gemacht hat ein Modell für sozial nachhaltiges Produzieren zu entwickeln, bei dem in der Herstellung bewusst Zeitdruck, Effizienz und Qualitätsanforderungen auf mögliche Nebenwirkungen überprüft werden. Ein Modell, das bewusst nicht die Ausgrenzung zum Teil der Lösung machen will.
Inga Schörmann, Journalistin und Redakteurin. Geboren im Sauerland studierte sie für drei Jahre Politikwissenschaft und Anglistik an der TU Darmstadt. Neben vielerlei Praktika und Reportertätigkeiten wie etwa für die F.A.Z. oder die Westfalenpost veröffentlichte sie als stellvertretende Chefredakteurin das CIRCUS Bookazine. Nun zieht es Inga nach Dresden zum SPIESSER, der Jugendzeitschrift, wo sie als Redakteurin arbeitet. Interessen: Politik, Wirtschaft, Kultur, Mode.
Seine Restmüll-Tonne hat Carl Christian Rheinländer kopfüber an die Hauswand genagelt. Vor zehn Jahren. Aus Protest. Ein Interview über ein Leben ohne Müll.
Juergen Eichholz ist in Japan, Deutschland und Kenia aufgewachsen, gelernter Groß- und Außenhandelskaufmann, hat Wasserwirtschaft studiert und arbeitet seit 2008 als freier Berater im Bereich nachhaltiger Sanitärlösungen in Frankfurt am Main. Er engagiert sich für www.Frankfurt.Gestalten.de und ist unser Mann für Afrika.
Stell dir vor, du verbringst einen Mittwochnachmittag bei einer inspirativen Veranstaltung, bei der ein Moderator mit Dreadlocks über das alte keltische Lugnat den Bogen zum Identitätswandel im Zeitalter des Internets schlägt und damit einleitende Worte für das Thema des Nachmittags findet: Identies – Nothing stays the same. Not even You!
„Wahrheit, Neugierde, Vielseitigkeit, keine Verkaufsgespräche, kein Unternehmensscheiß, kein Mitlaufen, keine Absatzbühnen – nur das reine Streben nach guten Interessen“.
So ähnlich formuliert es der britische Journalist und Verleger Chris Anderson, als er 2002 die Aufsicht über die TED-Konferenzen übernimmt.
Die TED-Konferenzen aus Kalifornien – Technology, Entertainment, Design – diese geniale und überaus erfolgreiche Mischung aus Unterhaltung, einer guten Geschichte, Technik, soziologischen Beobachtungen, gutem Design und sozialem Engagement wird sich unter seiner Leitung in den nächsten Jahren zu einer, wenn nicht sogar der beliebtesten Konferenz aus den USA entwickeln.
Geboren 1988 im beschaulichen Darmstadt, dort begonnen Online-Journalismus zu studieren, Fachausbildung zur Generation Praktikum, zwischendurch eine Exkursion nach Berlin, um die Welt des Fernsehens zu entdecken. Derweil am Durchbruch als Musiker feilen, gespannt was morgen passiert!
Es weihnachtet sehr in den Appstores. Spielklassiker gibt es in einer schneebedeckten Weihnachtsedition. Doch hier und da finden sich auch neue, spaßige und sogar sinnvolle Apps, die den Weihnachtsstress etwas verringern.
Besonders für diejenigen unter euch, für die der 24. Dezember jedes Jahr völlig überraschend aus dem Kalender geschossen kommt, gibt es einige Unterstützung in Sachen Zeitmanagement. Naheliegend ist natürlich der Weihnachtscountdown. Sekundengenau kann man zuschauen, wie heilig Abend auf uns zu kommt. Einmal installiert kann man sich ab dem 25. Dezember wieder 364 Tage auf Weihnachten freuen.
Als sehr hilfreich erweist sich auch die Free Christmas List: Alle geplanten oder schon gekauften Geschenke können ordentlich eingetragen und verwaltet werden. Die App gibt an, wie viel Geld schon für Geschenke ausgegeben wurde und wie viel noch aus dem Sparstrumpf geschüttelt werden muss, um alle Freunde und Verwandte zu beglücken. Außerdem kann jedem Geschenkempfänger die entsprechende Schuh- und Kleidergröße zugeordnet werden. Besonders die Herren können mit derart brisanten Informationen beim nächsten Einkaufsbummel mit der Liebsten sicherlich Punkten. Das Apple-Pendant ist für 0.79€ zu haben.
Anleitung zum Parkroden
Zwischen all den Geschenken muss sich natürlich auch Zeit finden den, den perfekten Weihnachtsbaum auszusuchen. Der Tradition zufolge verkörpern Immergrüne Pflanzen Lebenskraft, und mit dem Weihnachtsbaum wollten sich die Menschen früher Gesundheit ins Haus holen um die kalte Jahreszeit zu überstehen. Mit My tree lot finder soll der richtige Weihnachtsbaum ganz in der Nähe gefunden werden. Auf einer Karte werden alle zu fällenden Bäumchen angezeigt. Die amerikanischen Programmiere gehen dabei jedoch davon aus, dass man sich in den Parks und Stadtgärten einfach nach Herzenslust bedienen kann. Klimaneutralere und vor allem legalere Wege zum perfekten Weihnachtsbaum hat reverb-Autorin Rebecca Sandbichler für euch gesammelt. Die hübschen Bäume in den Parks könnt ihr getrost auch vor Ort beim Spazierengehen bewundern.
Extra-Finger für Bastellaien
Ganz ressourcenbewusst gibt sich die Gratis-App iFinger. Die App berechnet zentimetergenau wie groß das Geschenkpapier für das jeweilige Geschenk sein muss. Anschließend dient das Smartphone als virtueller „Finger“ und hilft beim Verpacken des Geschenks. Damit können auch Bastelleihen denen ihre zwei Hände oft nicht reichen ihre Liebsten mit professionell verpackten Präsenten beglücken.
„Hallo, Santa Claus am Apparat“
Mit „Calling Santa“ können sich Kinder auf einen ganz besonderen Anruf freuen, denn Santa Claus macht Überstunden im Weihnachts-Call-Center. Aus unzähligen vorbereiteten Satzbausteinen kann eine Nachricht von Santa für die kleinen zusammengebastelt werden. Außerdem können ganz persönliche Botschaften für die Kinder aufgenommen werden und von Santas Helfer Milo mit hoch gepitchter Stimme ins Gespräch gebracht werden. Besonders schön ist auch die Möglichkeit, dass die Kinder selbst bei Santa anrufen und ihm von ihre Wünschen berichten können. Die Anrufe werden aufgezeichnet und die Eltern können sich anschließend um das Erfüllen der Wünsche kümmern. Santa ist schließlich am Telefon beschäftigt.
Glühwein, Zimt-Duft, Chorgesang, JETZT!
Einen schönen Dienst haben sich die Programmierer der App „das örtliche“ überlegt. Immer wenn der Glühweindurst unerträglich wird, zeigt die Anwendung nächstgelegenen Weihnachtsmärkte. Bisher sind über 1700 Märkte in ganz Deutschland eingetragen und täglich kommen neue hinzu. Natürlich können alle Märkte direkt via Routenplaner angesteuert werden. Zusätzlich gibt es die Möglichkeit, sich aus der App heraus mit Freunden zum Glühwein verabreden. Den Weihnachtsmarktfinder gibt es für Android und iPhone.
Diese Liste an Apps könnte noch um einiges länger sein, gibt es doch noch jede Menge Spruchsammlungen für Weihnachtskarten und diverse Schneekugel-Anwendungen. Aber backt doch lieber Kekse – und mit Track your Weight könnt ihr euren Bodymaßindex beim Kekse Naschen in dann Echtzeit verfolgen. Vielleicht stellt ihr das Handy aber auch einfach auf Lautlos, geht raus, und verjagt alle Hobbyholzfäller aus den Parks, die den tree lot finder zu ernst genommen haben.
Lena Kristina Knake, 1979 geboren in Göttingen, studierte Sinologie und Journalistik in Leipzig, Hamburg und Beijing, lebt und arbeitet seit 2004 in Hamburg. Von 2001 bis 2002 beim staatlichen Chinesischen Rundfunk CRI in Beijing, anschließend verantwortliche Redakteurin der Hamburger China-Nachrichten. Ab 2006 angestellte Redakteurin unter anderem mit den Schwerpunkten eCommerce, Web 2.0 und Interface Design. Seit Februar 2011 Mutter, freie Redakteurin und Journalistin.
mike shirley (2010-12-21 05:24:05)
„Santa is a capitalist pig.“
Alle Jahre wieder im Advent propagieren die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) und damit einhellig alle großen Medien ein positives Konsumklima. Die Kauflaune sei auch 2011 trotz Rezession und Angst vor dem nächsten Börsencrash ungetrübt. Jedes Jahr auf ein Neues sollen wir Konsum-Enten im totalen Kaufrausch plantschen, getreu dem Motto, wenn alle kaufen muss ich auch. Enttäuscht nun selbst die viel versprechende Occupychristmas-Bewegung auf den zweiten Blick mit der Parole „Alles ist gut, kauft einfach weiter ein“?
mel (2011-11-22 16:57:58)
„I would like to stay out of debt this year.“
Kaufen, „aber wovon“, fragen sich besonders zur Weihnachtszeit wieder Millionen Menschen hierzulande. Ausgerechnet auch die Gfk hat für die Investoren-Plattform LifeFinance eine Untersuchung durchgeführt, laut der es (nur) fünf Prozent der Deutschen sind, die sich für Weihnachtsgeschenke verschulden. Die Caritas-Schuldnerberatung schätzt immerhin, dass jedes vierte Geschenk auf Pump gekauft wird. Der Konsumdruck wächst Jahr um Jahr, bei manchem damit der Schuldenberg, und anstatt sich in der „staden Zeit“ auf den Erlöser zu besinnen, kauft man auch 2011 lieber wieder die Auslagen und trinkt die Glühweinstände leer.
Marshall (2010-12-25 04:03:36)
„I hate the traffic, the agglomerations, the same stupid songs, the freakin tree smell, the hypocrite hughs… and the fact that no matter what you do, you’ll eat like a pork.“
Still wird es erst nach den Feiertagen; wenn nach dem totalen Konsum und dem chronischen Sodbrennen dann im neuen Jahr die plötzliche Läuterung eintritt: Jeder kennt die guten Vorsätze und lauen Verzichtsübungen: man entsagt Alkohol und Nikotin, geht bis zum Dreikönigstag auf Null-Diät und atmet erst wieder auf, wenn auch das endlich vorbei ist.
Artie (2011-12-06 22:47:23)
„I hate the materialism of the season. It’s so expensive and the whole “it’s the thought that counts” thing isn’t even true. If I told people I thought about getting them a present but didn’t they’d hate me if they got me one.“
Es ist vor allem die Abscheu gegen den Kommerz, der den Weihnachtswiderstand eint. Daneben gibt es noch die paar ehrlichen Atheisten, die lieber ganz auf Weihnachten verzichten anstatt nur dumpf seine religiöse Konnotation weg zu konsumieren, oder ein paar Umweltschützer, denen es um die Bäume leid tut und die Ressourcen, die man durch deren Beleuchtung vergeudet. Ich selbst hasste die vorgetäuschte Harmonie, diesen Zwang zum fröhlich und friedlich sein, während überall auf der Welt gehungert, gehasst und getötet wird, eben so, als gäbe es kein Weihnachten. Geld für teure Geschenke hatte ich ohnehin selten, und so konnten sich meine Lieben zu Weihnachten stets mit einer symbolischen, oft selbst gemachten Kleinigkeit glücklich schätzen.
postal (2010-12-25 14:14:13)
„Thats what people do these days…they get a tree, place it in their living room, hang shit on it, then when their done that just throw it out on the curb. I’m sick of it. I hate Christmas.“
Aber alles ändert sich mit Kindern – auch der Blick auf Weihnachten; er wird naiv. Menschen werden zu Eltern, die Wünsche erfüllen wollen, sie freuen sich über ihre Familie und die Freude ihrer Kinder, werden wieder zu Kindern, die sich freuen. Weihnachten war schließlich auch diese kleine Familie aus Bethlehem…
Isuru Hapuarachchi (2011-01-13 09:18:01)
„Well, I’m a Buddhist. But Christmas is a time for everyone to join and enjoy life. Think of it? Without Christmas, it would be just like other normal days, where you work and work and finally you die for money! your whole life working for money ? It is not life? Even if Christmas celebrations are useless or to some: Jesus is fake, you get together with others as humans in the Christmas day. And celebrate LIFE! Aren’t those little moments that make beautiful memories in life? Isn’t that what religion is about?“
Für meinen Sohn wird es das erste Weihnachtsfest sein – mit knapp elf Monate versteht er noch nicht, was passiert, aber er erlebt es. 2011 ist das Jahr der Occupy-Bewegungen und auch die hat er hier in Hamburg schon miterlebt. Ein paar von den „99 %“ besetzen nach den Bankenvierteln nun auch die Einkaufszentren, um dem (Schweine-)Kapitalismus die Stirn zu bieten. Aber sie verbrennen (leider) keine Geldscheine und predigen auch nicht den Konsumverzicht. „Kauft sinnvoll“ lautet kurz das Motto der #Occupyxmas – Gruppe, die die Initiatoren des „Kauf nix Tages“ ins Leben gerufen haben: Bei Künstlern, im lokalen Einzelhandel und bitte ökologisch unbedenklich.
Hannah (2011-11-22 11:27:53)
„Christmas has become a feast for the 1%. The rest us us are slaves, spending too much money in order to make money for those who already have so much. The use of carols and nativity scenes in shopping centres is nothing more than brainwashing. Christmas? Yuk!“
Als Mutter bin ich jetzt echt erleichtert: Ich muss meinem Sohn keine Heman-Figur schnitzen, ich kann ihm guten Gewissens die selbst geschnitzte Heman-Firgur bei Dwanda bestellen, im Schanzen-Atelier shoppen… er merkt ja noch nix, und Hauptsache, das Päckchen ist schön groß. Mit elf Monaten geht es ja noch nicht um viel oder teuer, es geht höchstens um die Größe und vor allem geht es um die Stimmung, die Stille, die Freundlichkeit, die Gemeinsamkeit und die Liebe. Es ist seine Unschuld, die mich Weihnachten einnimmt und mich trotz Hass, Zerstörung und Hunger auf der Welt hoffnungsvoll stimmt – und damit das möglichst lange so bleibt, bleiben es wenige, wertvolle, gebrauchte Geschenke in großen Verpackungen zum darin Spielen.
Ruth Less (2011-12-06 05:01:49)
„I hate Christmas because it’s a stupid consumerist materialist holiday that encourages children that are unappreciative to be greedy, selfish materialists. “If you’re not good santa won’t come-” bullshit. You know they aren’t good, and don’t deserve to have EVERYTHING they want. They didn’t do anything to deserve it. Kids are brats, and parents create it. I’m sick of the cheesy don’t take the Christ out of Christmas shit too. It’s a waste- all of it.“
Rebecca Sandbichler hat schon vieles ausprobiert: Sie hat Drehbücher für Kurzfilme geschrieben und Regie geführt, ein monatliches Studentenmagazin mitgegründet, in Online-Redaktionen wie faz.net oder derstandard.at gearbeitet, bei NEON den Magazinjournalismus hautnah erlebt und zuletzt das mehrsprachige Bookazine CIRCUS weltweit veröffentlicht. Vor acht Monaten wurde sie dann Mutter und das hat alles auf den Kopf gestellt. Seitdem fragt sie sich, wie sie mit all den verschiedenen Erfahrungen und ihren Interessen etwas tun kann, von dem auch ihr Sohn mal profitieren wird. Und seine Kinder, und deren Kinder. Texte abseits der Agentur-Meldungen – wie hier bei reverb – könnten ein guter Anfang sein.
Was, wenn man nicht religiös ist, aber den Weihnachtsmann auch nicht leiden kann? Geht das überhaupt: atheistisch Weihnachten feiern? Ein Glaubensfrage.
Früher war ich ein Grinch: Weihnachten war für mich wahlweise kommerzialisierter Kitsch oder eine mit Traditionsstaub überzogene, religiöse Lügenveranstaltung. Geschenk-Hetze, Keksfabrik und der alljährliche Krieg beim Baum-Schmücken; das alles wurde von mir gepflegt ignoriert und, sofern ich zur Teilnahme gezwungen war, höchstens mit einem verächtlichen Augenrollen quittiert. An Weihnachten hat sich prinzipiell nichts geändert; im Gegenteil.
Jedes Jahr wird gefühlte zwei Wochen früher der Spekulatius in der Mitte des Supermarkts aufgetürmt (ich glaube, in diesem Jahr war es Ende August), „Last Christmas“ eignet sich weiterhin zur akustischen Folter und Weihnachtsmärkte sind immer noch der beste Vorwand heimlicher Gelegenheitsalkoholiker, um sich bereits nachmittags hemmungslos zu betrinken. Und doch kann ich all diese Skurrilitäten plötzlich mit deutlich mehr Milde betrachten. Den Kindern zuliebe.
Der Advent ist plötzlich großartig
Ok, meine beiden Jungs sind erst eineinhalb und ein paar Wochen alt. Und dennoch versetzt mich ihre bloße Anwesenheit plötzlich in größten Weihnachtsenthusiasmus: Zwei Adventskalender (selbst befüllt, natürlich), Lebkuchen-Bäckerei, selbst gemachter Baumschmuck – ich laufe zur Höchstform auf. Das ist die tolle Seite an Weihnachten, die ich in meiner zynischen Grinch-Zeit vollkommen ausgeblendet habe. Denn mit Kommerz und moralischer Heuchelei haben Basteln und Backen ja gar nichts zu tun.
Und trotzdem fehlt noch was zum Weihnachtsglück: Der Glaube. Schließlich ist das wahre Weihnachten ein Fest zur Feier von Jesu Geburt. Des Erlösers der Menschheit. Wer wirklich daran glaubt, der tut gut daran, diesen Tag ordentlich zu feiern. Es gibt dem ganzen Fest eine existenzielle Bedeutung, da kommt man mit selbstgezogenen Kerzen und hübsch gestempeltem Geschenkpapier niemals ran.
Weihnachten ohne das Warum?
Und was, wenn man nicht daran glaubt? Noch sind meine Kinder klein, doch irgendwann muss ich mich entscheiden, wie sie Weihnachten erleben sollen. Klassisch, konfessionell wie ich es noch als gläubiges Kind geliebt habe: Mit den Geschichten über die beschwerliche Reise von Maria und Josef, den religiösen Weihnachtsliedern, den Brieflein ans Christkind, die von Engeln abgeholt werden? Oder aber atheistisch und – in unserem Fall – also ehrlicher? Immerhin ist es schon ein wenig verlogen, das ganze Jahr an nichts zu glauben und sich für einen Monat im Jahr die schönen Geschichten der Christen auszuleihen. Doch, wie feiert man atheistisch Weihnachten, wenn man mit dem Christkind aufgewachsen ist und daher auch mit dem Weihnachtsmann nicht recht warm werden will? Welche Lieder kann man noch singen? Sollen meine Kinder später etwa nicht Krippen aus Pappmaschee bauen? Und was zur Hölle werde ich nur den gläubigen Groß- und Urgroßeltern erzählen?
Etwas über Religion erfahren
Ich bespreche die Problematik mit meiner Schwester Timna. „Du machst dir zu viele Sorgen“, sagt sie und erinnert mich daran, dass sie ja auch immer schon Atheistin war – und trotzdem traditionell Weihnachten gefeiert hat. Im Gegensatz zu mir hat meine Schwester sich nie für den christlichen Glauben interessiert und auch nie einen Religionsunterricht besucht. Und trotzdem: „Die Hintergründe von Weihnachten kenne sogar ich. Das hört man ja schon im Kindergarten.“
Zwar hat unsere Mutter uns keine Religion aufzwingen wollen und uns daher nicht getauft, aber um das christliche Weihnachten wäre sie also, selbst wenn sie gewollt hätte, niemals herumgekommen. Tatsächlich hat meine Mutter aber mehr getan als das. Sie hat mit uns Weihnachten gefeiert wie jede andere Familie im erzkatholischen Tirol. „Für mich war das nie komisch“, sagt Timna. „Es war einfach eine schöne Geschichte und alle Traditionen darum herum waren toll.“ Vor allem, meint sie, könne es ja nie schaden, etwas über den Glauben von anderen Menschen zu lernen. Das sei nicht falsch und verlogen, man zeige eben Interesse.
Der Julbock bringt die Geschenke
So kann man es natürlich auch sehen. Aber dann muss man eigentlich noch weiter gehen und mehr über die Feste anderer Religionen und Kulturen lernen. Wer weiß denn schon wirklich was über Chanukka oder das Opferfest? Nicht mal die vielen Facetten der christlichen Weihnachtstradition sind uns bewusst: Wer kennt schon den „kleinen Scheißer“ der Katalanen oder die isländischen Weihnachtsgesellen?
Ich glaube, jetzt weiß ich, wie wir Weihnachten künftig feiern wollen: International. Sobald die Kinder alt genug sind, werden wir uns Stück für Stück diesen Traditionen aus aller Welt nähern. Werden Plumpudding essen, uns als Julböcke verkleiden, „Glocke und Hammer“ spielen lernen oder mit den Geschenken auf die „Reyes Magos“ am 6. Januar warten. Das ist zwar nicht unbedingt ehrlicher, aber zumindest interessant und lustig. Und in der Zwischenzeit freue ich mich, dass wir diesmal „nur“ normales Weihnachten feiern. Denn damit hat man auch genug zu tun.
Stephan Reifschneider lebt seit 1964. Geboren und gewachsen in der Nähe von Frankfurt am Main. Zwischenzeitlich in England, Bedfordshire, wohnend. Jetzt unweit von Bamberg beheimatet. Es zieht ihn demnach nie in die Stadt, höchstens mal knapp daneben. Seit 10 Jahren vertochtert, vertreibt der gelernte PRler heute SAP Produkte und Beratungen. Den kreativen Ausgleich findet er in der u-bahnbamberg.de. Hier werden Ideen geboren, es wird gestaltet und geschrieben. Reklame und Propaganda eben.
Es gibt Alltagsgegenstände, die benutzt man, ohne sich weiter Gedanken darum zu machen. Wie das Streichholz. Das Zündholz, veraltet Schwefelholz, ist ein Holzstäbchen zum Entfachen eines Feuers. Durch Reiben an einer Reibefläche entzündet sich der am Ende angebrachte Zündkopf und bringt das Holzstäbchen zum Brennen. Das weiß ja jeder.
Aber wer weiß auch, dass die ersten einsetzbaren Streichhölzer Anfang des 19. Jahrhunderts auf den Markt kamen? Eben. Sie enthielten übrigens noch giftige Stoffe wie Phosphor oder Bleiverbindungen. Sicherheitszündhölzer gibt es seit den 1850er Jahren und diese zündeten nur noch an einer Reibefläche und nicht mehr überall. Somit war auch die Streichholzschachtel geboren, denn die Reibefläche musste ja irgendwo hin.
Jetzt stirbt ein Seeman!
Wenn sich jemand eine Zigarette an einer Kerze anzündet, kriegt er häufig den Spruch „Jetzt stirbt ein Seemann“ zu hören. Diese Redensart lässt sich so erklären: Seeleute, die keine Heuer fanden, verdienten oft ihr Geld durch die Fertigung und den Verkauf von Streichhölzern. Wer also keine Streichhölzer benutzte, brachte die Seeleute um ihren Verdienst. Früher wurden Streichhölzer einzeln verkauft, da sie überall zur Zündung gebracht werden konnten.
Die Einzelfertigung und der Verkauf von Streichhölzern war für viele Menschen in vergangenen Jahrhunderten ein Zubrot. Doch die Herstellung von Zündhölzern setzte den Arbeitern schwer zu: Das Einatmen der Phosphordämpfe führte zum Absterben des Unterkiefers, die Phosphornekrose. Die versammelte Menge an brennbaren Stoffen führte häufig zu Explosionen. Keine guten Arbeitsbedingungen.
Auf die Barrikaden!
In großen Städten wie London lief auch das Geschäft im großen Stil. In der sogenannten Matchfactory setzten sich die ärmsten und jüngsten Menschen den Giftstoffen aus und verkauften dann die Streichhölzer auf der Straße. Schlechte Arbeitsbedingungen, miese Bezahlung, Vierzehn-Stunden-Tage und raffgierige Chefs führten im Sommer 1888 sogar zum Streik der Matchgirls. Immerhin 1400 Londoner Frauen und Mädchen waren im Ausstand. Unterstützung fanden die Streikenden auch bei Zeitgenossen wie George Bernard Shaw. Die Arbeiterinnen forderten zum Beispiel separate Essenräume, damit sie nicht inmitten der Schwefel- und Phosphordämpfe essen mussten (siehe oben, absterbender Unterkiefer). Viele der Forderungen wurden durchgesetzt und der Streik wurde nach zwei Wochen beendet.
Nichts für kleine Kinder
Die Erzählung „Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern“ von Hans Christian Andersen fällt genau in diesen Zeitrahmen des 19. Jahrhunderts. Das Kind erfror am Silvesterabend beim Versuch Streichhölzer an Passanten zu verkaufen. Es ist eine der tollsten Erzählungen:
„Sie strich wieder ein Schwefelholz gegen die Mauer, es leuchtete ringsumher, und im Glanze desselben stand die alte Großmutter, glänzend, mild und lieblich da. »Großmutter!« rief die Kleine. »O, nimm mich mit! Ich weiß, dass Du auch gehst, wenn das Schwefelholz ausgeht; gleichwie der warme Ofen, der schöne Gänsebraten und der große, herrliche Weihnachtsbaum!«“
Wer da nicht eine Träne verdrücken muss. Aber Vorsicht. Die Erscheinungen des Mädchens sind nicht nur auf den nahenden Erfrierungstod zurück zu führen. Die giftigen Stoffe dieser selbstzündenden Schwefelhölzer (Bleiverbindungen) werden ihr übriges getan haben.
Streichholzkarlchen
Die Geschichte des kleinen Mädchens setzt sich fort. Ganz real und in Deutschland. Ein lokal berühmter „Streichholzverkäufer“ wurde Karl Winterkorn, am 28. März 1880 geboren, aus Offenbach. Er lebte vom Verkauf von Streichhölzern und war nur 1.30 Meter groß. Kein kleines Mädchen, aber ein kleines Männchen. Er liebte es als Holzhändler bezeichnet zu werden. Sein Spitzname: Streichholzkarlchen.
Karl Winterkorn ging in Offenbachs Gaststätten von Tisch zu Tisch und legte still einige Streichhölzer ab. In einer zweiten Runde sammelte er, ebenso still, Geld und restliche Streichhölzer wieder ein. Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern von Hans Christian Andersen war nicht so selbstbewusst und nahm Schaden. Karl Winterkorn aber kannte das Märchen und hatte sich gesagt: „So nicht, ihr Leud‘.“ Er lebte bis 1939 und dürfte einer der letzten Streichholzverkäufer, oder Holzhändler, gewesen sein. Liegt der Grund für Winterkorns recht frühen Tod in der Entwicklung des Sreichholzmarktes ab 1930?
Schwedische Langeweile
In den 1930er Jahren kam in Sachen Streichholz Langeweile auf. Der Schwede Ivar Kreuger zahlte 500 Millionen Reichsmark Anleihe um ein Zündwarenmonopol in Deutschland zu bewirken. Zu diesem Zeitpunkt hatte Kreuger schon einen Marktanteil von 65% erreicht. Das Monopol hielt bis 1983 stand und ist durch die Marken „Haushaltsware“ und „Welthölzer“ jedem ab Mitte 30 bekannt. Andere Streichhölzer gab es bis 1983 einfach nicht.
1983 wurde das Monopol durch Rückzahlung der Anleihe abgeschafft und der Preis für Zündhölzer fiel um ein Drittel.
Egal ob schwedisch oder in Heimarbeit produziert, Streichhölzer sind noch immer faszinierend. Mit jedem benutzen Streichholz wird ein unhörbarer Ruf laut: „Ich habe Feuer gemacht.“ Diese kleinen Holzstäbchen versprechen die Beherrschung eines Urelements und die Erfüllung einer Ursehnsucht nach Wärme. Das sieht man auch an den Augen eines Kindes, wenn es zum ersten Mal mit Streichhölzern hantieren darf.
Susan Rößner hat Geisteswissenschaften in diversen Städten studiert und trotzdem Arbeit gefunden, fragt sich aber, ob das nun alles gewesen sein soll. Sie träumt von einem Olympiasieg im Hundertmeterlauf, erstellt nebenbei ein Kompendium kostenfreier heißer Duschen in Australien. Facebook will sie erst beitreten, wenn es eine Gruppe mit Namen “Eitel? Wir?” gibt. Momentan regt sie sich am meisten über die eiskalte Arroganz auf, mit der deutsche Politiker afrikanischen Flüchtlingen die Einreise verweigern, nachdem sie ihnen den heimischen Markt kaputtgemacht haben. Alle rein! Das gilt auch für die Edlen Tropfen in Nuss, die gerade noch neben dem Laptop stehen.
Urbane Landwirtschaft zwischen Erleben und Überleben: Im Westen gärtnert man fürs Wohlbefinden, in Schwellen- und Entwicklungsländern, um den Magen zu füllen.